Rehe in großer Not – Jäger als Retter

Mit freundlicher Genehmigung des St. Hubertus wurde mir der beiliegende Artikel incl. Fotos von Hr. Lukas Ruetz zur Verfügung gestellt.

Eine überraschend große Neuschneemenge hielt sechs Rehe gefangen. Im aussichtslosen Kampf gegen die Kräfte der Natur wurden Jäger zu Rettern in der Not

Gut das es Jäger gibt 🙂

JAGAHANS

Zwischen Freitag, dem 4., und Sonn­tag, dem 6. Dezember 2020, gab es nicht nur in den Südstaulagen Osttirols rekordverdächtige Neuschneemengen. Auch im Revier „Zirmbachalm“ des Tiroler Sellraintals schneite es auf einer Seehöhe von 1.800 m un­auf­hör­lich. Innerhalb von 36 Stunden fielen 125 cm Neuschnee vom Himmel. Diese ­immense Neuschneemenge in einem so derartig kurzen Zeitraum wurde im Sellraintal zuletzt im Jahr 1910 verzeichnet.

Ausnahmezustand

Durch die Lage oberhalb der Waldgrenze halten sich Rehe dort im Winter normaler­weise im Wald auf einer See­höhe von 1.500 m auf und wären nicht so weit nach oben vorgedrungen, hätte sie der Schneefall nicht überrascht. Im Sommer, aber auch in den schneearmen Herbst- oder Frühwintermonaten können sie aber durchaus bis nach Kühtai, einem der höchstgelegenen Skiorte Österreichs, vordringen.

Dies war auch Anfang Dezember der Fall, da kaum Schnee bis Kühtai lag. Die Tiere waren noch unterhalb des Passes im Bereich der Zirmbachalm unterwegs, als der unglaublich intensive Schneefall über sie hereinbrach. Innerhalb von nur 12 Stunden schneite es 80 cm und in den darauffolgenden 24 Stunden nochmals 45 cm. Mehr als genug für die Rehe, um im tiefen, lockeren Neuschnee festzustecken und Gefangene dieser weißen Hölle zu werden.

Eingeschneit

Als die Jäger des Gebiets Zirmbachalm am Montagabend nach dem Freifräsen der Straße den Jagdschutz wiederaufnehmen konnten, wurden die Rehe gesichtet und daraufhin die Kollegen der angrenzenden Jagd St. Sigmund informiert. Anton Steuxner, Jagdpächter des Reviers Zirmbach­alm, schildert die Situation: „Die Rehe konnten weder vor noch zurück. Manche waren durch den Kampf mit den Schneemassen derart erschöpft, dass sie kaum noch Lebens­zeichen zeigten.“ In weiterer Folge wurden Maßnahmen besprochen und die Rettung geplant.

Rettung in Sicht

Tags darauf rückte die St. Sigmunder Jäger­schaft im Morgengrauen mit Touren­ski aus, um die insgesamt sechs Geißen, Böcke und Kitze lebend zu bergen. Durch den Umstand, dass die Rehe bereits am Ende ihrer Kräfte waren, war die Gegenwehr der Tiere nur von kurzer Dauer, und die Bergung konnte problemlos von­statten gehen.

„Bei den Schneemassen war die ­Rettung der sechs Rehe im Grunde eine leichte Aufgabe“, sind sich die „Reh-­Bergretter“ Clemens Ruetz, Jagdaufseher des Reviers St. Sigmund, und sein Bruder ­Lukas einig. „Die Tiere kamen kaum ­voran, und einige schienen auf ihre ­Rettung gewartet zu haben. Nur die ­Spurarbeit mit den Tourenski durch den meter­tiefen Neuschnee stellte eine konditio­nelle Herausforderung dar.“

Während die Brüder jeweils ein Reh nach dem anderen aufspürten und bis zur Straße trugen, übernahmen Anton Steuxner, Wolfgang Holzer und Erich Prantl den Abtransport der geretteten Stücke. Mit vereinten Kräften aller ­Beteiligten konnten schlussendlich alle Rehe wohlbehalten zur eineinhalb Kilometer entfernten und dreihundert Höhenmeter tiefer gelegenen Winterfütterung überstellt werden. Der Schnee vor Ort war bereits tags zuvor mit einer Helfer­truppe niedergetreten worden.

 

Dringender Appell

Ruetz findet auch klare Worte zum Schicksal der Tiere bei unterlassener Hilfe­leistung: „Für die Rehe hätte die Gefangen­schaft im weißen Verlies den sicheren Tod bedeutet. Unsere Aufgabe als Jäger ist nicht nur die Reduktion und die Erhaltung des Wildbestandes im Sinne einer öko­logischen Ausgewogenheit, sondern vor allem auch die Hege des Wildes. Die ­Jagd ist ein essenzieller Teil unserer Gesellschaft und Kulturlandschaft – verantwort­lich für die Versorgung von Wildtieren, die durch die extrem dichte Besiedelung des Alpenraums nicht mehr in ihre ­ursprünglichen Winterlebensräume, den früheren Aulandschaften der tiefen ­Täler, abwandern können. Die Täler der Alpen sind mittlerweile teilweise so dicht be­siedelt wie die großen Ballungszentren Europas!“

In diesem Zusammenhang richtete er auch einen dringenden Appell an alle Wintersportler und Naturliebhaber, da die großen Schneemengen in Teilen ­Tirols eine drama­tische Situation für die Wildtiere bedeuten. Dahingehend gilt es, von Wildfährten im Schnee Abstand zu halten und lokale Wildruhezonen zu respektieren. Auch Fütterungsgebiete sollten unbedingt groß­räumig umgangen werden.

Sollte man auf Wild treffen, am besten ruhig stehen bleiben und abwarten – die Tiere keinesfalls verfolgen! Darüber ­hinaus sind Wildbergungen den Profis mit Vorwissen zum Wildverhalten und dem Umgang mit Wildtieren vorbehalten. Bei Sichtungen von Wildtieren in einer Notlage ist dies am besten dem nächsten Gemeindeamt oder der zuständigen Polizei­dienststelle zu melden, welche das Jagdschutzpersonal informiert.

Glückliches Ende

Da Rehwildbergungen dieser Art bei Stark­schneefällen in den Alpen, vor ­allem in Tirol, Südtirol, Kärnten und ­vielen italienischen Gebieten, keine Selten­heit sind, wird wiederum deutlich, dass die Mehrheit der Jäger aus einem ­anderen Holz geschnitzt ist und viel ­Herzblut in Tierwohl und Hege des ­Wildes fließen lässt. Die Öffentlichkeit nimmt aber meist nur von Negativbeispielen und abstoßenden Vorkommnissen Notiz, was eine breitenwirksame Öffentlichkeits­arbeit der Jägerschaft bedingt, die aber oftmals eher rudimentär ausgeprägt ist.

Diese bezirks- und revierübergreifende Aktion zeigt diese mehrheitlich übersehenen, essenziellen Aspekte des jagd­lichen Handwerks und wurde auch von nachhaltigem Erfolg gekrönt, da die ­Tiere inzwischen regelmäßig und wohlauf im Nahbereich der Fütterung gesichtet ­werden. „Im nächsten Frühling werden sie sicher wieder in ihren Sommer- und Herbst­lebensraum bei der Zirmbachalm zurückkehren können. Dann hoffentlich ohne ­einen Wintereinbruch diesen Ausmaßes“, resümiert die gesamte Truppe ab­schließend.

Zur Person

Lukas Ruetz ist Skitourengeher, Bergsteiger und Autor. Gemeinsam mit ­seinem Bruder Clemens, Aufsichts­jäger im Revier „Zirmbachalm“, verbringt er den Großteil seiner Zeit in der Natur. Naturfreunde und Jäger sind in St. Sigmund im Sellraintal jeder­zeit herzlich willkommen – der im Familien­besitz befindliche „Alpengasthof Ruetz“ freut sich über Besuch aus nah und fern.

Informationen/Quellen:

www.lukas-ruetz.at

www.gasthof-ruetz.at

www.facebook.com/StHubertusMagazin

 

 

 

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